CAZ-Reporter Marcel Tarbier hat mit Prof. Alexander Dalpke und Prof. Frank Buchholz von der Uniklinik gesprochen. Was sagen die Experten von der TU Dresden zur Corona-Impfung?
Prof. Alexander Dalpke hat die Professur für Medizinische Mikrobiologie an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus inne. Er ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Virologie und Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie.
Das sagt Professor Alexander Dalpke:
CAZ: Herr Prof. Dalpke, wie sind Sie selbst mit dem Thema „Corona-Impfstoffe“ verbunden?
Alexander Dalpke: Ich bin selbst Infektionsimmunologe und beschäftige mich damit, wie das angeborene Immunsystem Erreger erkennt, beispielsweise über deren RNA. Außerdem forschen wir selbst an Impfstoffen, genauer gesagt an Impfverstärkern, welche die Wirksamkeit einer Impfung erhöhen können.
Oft wird behauptet, dass die Impfstoffe in kürzester Zeit entwickelt worden seien, so ganz stimmt das aber nicht, oder?
Genau. Solche mRNA-Impfstoffe wurden bereits in der Vergangenheit erforscht und sogar für spezifische Krankheiten entwickelt, wie etwa Ebola oder Tollwut. Nur wurden die Projekte nicht bis zur Zulassung geführt. Das Prinzip, dass hinter den Impfungen steckt, ist aber schon Jahre alt. Seitdem werden solche Impfstoffe zum Beispiel auf ihre Anwendung in der Krebsbekämfung als sogenannte ‚Tumorimpfung’ untersucht.
Warum ging es diesmal mit der Zulassung so schnell?
Durch die Pandemie wurde natürlich viel Geld in die Forschung und Entwicklung gesteckt. Das umfangreiche bestehende Wissen konnte man so in eine konkrete Anwendung überführen. Die Immunologischen Grundlagen waren ja bereits vorhanden. Aber natürlich hat auch der politische Wille geholfen, indem man etwa ein „rolling review“ ermöglicht hat. Dabei werden alle Zulassungsschritte durchlaufen, es gibt keine Abkürzungen, aber Ergebnisse werden laufend ausgewertet und nicht erst komplett gebündelt und dann im Paket eingereicht. Somit konnte Zeit gespart werden, ohne dass irgendwelche Schritte weggefallen wären.
Was passiert mit dem Impfstoff im Körper?
Der Impfstoff wird intra-muskulär gespritzt, also in den Muskel hinein, nicht in die Blutgefäße. Dadurch verbleibt er lokal und wird nicht im Körper verteilt. Im Muskel wird er hauptsächlich von verschiedenen Immunzellen aufgenommen. Praktischerweise kann die mRNA selbst als Impfverstärker wirken. Immunzellen erkennen die RNA als fremd und es werden zusätzliche Immunzellen rekrutiert, was die Impfwirkung erhöht. Damit diese Immunreaktion nicht zu stark wird, wurde die mRNA speziell modifiziert. Dies erhöht außerdem die Stabilität der empfindlichen RNA.
Welche gängigen Fehlvorstellungen begegnen Ihnen im Alltag?
Einige wenige befürchten, dass der Impfstoff ihr Erbgut verändern könnte. Molekularbiologisch ist das natürlich Unfug. Selbst über sogenannte ‚reverse Transkriptasen’ wäre so etwas nicht möglich.
Auch die Bedenken über die Verpackung des Impfstoffes in Nanopartikeln sind nicht fundiert. Diese Partikel dienen lediglich dazu, die mRNA zu stabilisieren, bis diese von den Zellen aufgenommen wird. Die Bestandteile sind gut erforscht und teils sogar gänzlich natürlich. Nicht ausgeschlossen ist, wie bei anderen Impfstoffen auch, dass Menschen mit ganz speziellen Allergien gegen die Inhaltsstoffe der Impfung allergisch reagieren – dies ist aber sehr selten.
Welche Vorteile bieten die mRNA-Impfstoffe?
Wie gesagt, zum einen kann die mRNA selbst als Impfverstärker agieren. Zum anderen ist die Herstellung des Impfstoffes einfacher. Für klassische Impfstoffe müsste man den Erreger selbst kultivieren und dann inaktivieren oder Bestandteile isolieren. Das würde hohe Hürden für die Herstellung schaffen. Man könnte konventionelle Impfstoffe also nur schwer in vergleichbarer Menge herstellen. Für mRNA-Impfstoffe dagegen wird zu keinem Zeitpunkt mit vermehrungsfähigem Virus gearbeitet. Zudem scheint der Impfstoff auch bei einigen Mutationen zu wirken. Sollte er das für bestimmte Mutationen nicht tun, ist er auch vergleichsweise einfach anzupassen.
Das sagt Professor Frank Buchholz:
Prof. Frank Buchholz ist Professor für Medizinische Systembiologie am Universitäts-Krebs-Zentrum der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus. Sein Labor ist auf funktionale Genomik und Genom-Editierung spezialisiert.
CAZ: Herr Prof. Buchholz, inwiefern ist Ihre eigene Forschung mit dem Thema verbandelt?
Ich arbeite selbst an mRNA-Technologien für kurzfristige Protein-Herstellung in Zellen. Das ist ja auch das Wirkpinzip des Impfstoffes. Außerdem arbeiten wir mit Genom-Veränderungen durch sogenannte „Designer-Rekombinasen“.
Die Idee hinter den mRNA-Impfstoffen ist ja schon älter. Was ist jetzt wirklich neu?
Den größten technologischen Fortschritt sehe ich in der Art und Weise, wie die RNA die Zellen erreicht, also sozusagen in der „Zustellung“. Und natürlich ist die flächendeckende Anwendung eines solchen Impfstoffes neu. Es ist daher unmöglich, alles jetzt schon 100-prozentig einzuschätzen.
Aber Sie selbst hätten keine Bedenken?
Ich selbst, als jemand der sich mit Gentechnik im Detail auskennt, würde einen solchen Impfstoff ganz klar vorziehen. Der mRNA-Impfstoff kann die Basenabfolge des Genoms nicht verändern. Generell haben wir über seine Wirkung und potenzielle Nebenwirkung schon erstaunlich viele Daten – er wurde mittlerweile ja schon millionenfach angewendet. Die auftretenden Nebenwirkungen sind dabei vergleichbar mit denen anderer Impfstoffe und extrem selten; wir reden da von einer Größenordnung von eins zu hunderttausend.
Sollte sich jeder impfen lassen?
Ich denke, es ist generell wichtig, dass eine große Mehrheit sich impfen lässt, nur so bekommen wir das Virus unter Kontrolle. Das ist ja auch ein Akt der Solidarität gegenüber jenen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. In Ländern mit hoher Impfquote, z.B. Israel, können wir jetzt schon sehen, dass die flächendeckende Impfung nur Vorteile bringt.
Interviews: Dr. Marcel Tarbier
CAZ-Autor Marcel Tarbier ist TUD-Alumni, Doktor der Molekularbiologie (Universität Stockholm) und forscht an der medizinischen Universität in Stockholm, dem renommierten Karolinska Institut, an zellulärer Heterogenität.
Bildquellen
- Corona Virus unter dem Mikroskop: geralt@Pixabay