„Herz statt Hetze“-Demo: TU-Rektorin fordert Verantwortung für eine demokratische Gesellschaft

Interessant? Dann teile es:

Auch wenn es nicht ganz die „Herz statt Hetze“-Demo wurde, die ursprünglich für dieses Wochenende geplant war: Über tausend Menschen setzten am 25. Oktober in der Innenstadt und auf der Cockerwiese ein friedliches Zeichen für ein tolerantes und inklusives Dresden, darunter viele Studierende. Dabei forderte TU-Rektorin Ursula M. Staudinger Verantwortung für eine demokratische Gesellschaft. CAZ-Reporterin Carolin Lange war vor Ort.

Es ist vor allem auch ein Zeichen gegen Pegida und das Gedankengut, das die Organisation seit mittlerweile sechs Jahren mitten in der Stadt salonfähig machen will. Denn eigentlich war für Sonntag eine große Kundgebung zum sechsjährigen Bestehen von Pegida auf dem Neumarkt geplant. Weil aber aufgrund der stark steigenden Corona-Zahlen am Wochenende strengere Auflagen in Kraft getreten sind, genehmigte die Versammlungsbehörde diesen Plan nicht und bot stattdessen die Cockerwiese als Veranstaltungsort an. Pegida lehnte ab. 

Livemusik und eindringliche Worte

Stattdessen fanden sich unter dem Schirm von „Herz statt Hetze“ wieder viele verschiedene Organisationen zusammen, um gegen rechts und für Toleranz und Demokratie eigene Kundgebungen und Versammlungen zu organisieren, entzerrt über drei Standorte. Auf der Hauptkundgebung auf dem Neumarkt gab es Live-Musik von verschiedenen Bands; der Superintendent der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens Albrecht Nollau richtete einige eindringliche Worte an die über dreihundert Anwesenden auf dem sonnigen Neumarkt. Naomi Henkel-Gümbel, angehende Rabbinerin und Überlebende des Anschlags in Halle, konnte zwar wegen Corona nicht selbst kommen, aber die Veranstalter verlasen ihre Ansprache. 

Verantwortung für eine demokratische Gesellschaft 

Und bei dieser Kundgebung meldete sich schließlich auch die TU Dresden zu Wort: Von Beginn an machten Studierende einen unübersehbaren Teil der Proteste gegen Pegida aus, nun stand erstmals Rektorin Ursula M. Staudinger auf der Bühne (Foto). Erst seit dem Sommer ist sie in Dresden, vor einem Monat fand ihre feierliche Investitur statt. Sie möchte, betonte sie in ihrer Ansprache an die Demonstrierenden, die TU zu einer „Universität für das 21. Jahrhundert“ machen. Die Exzellenzuniversität müsse auch exzellent sein im Hinblick auf ihre Verantwortung für eine aufgeschlossene und demokratische Gesellschaft. Künftig sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TU zwei „Ehrenamtstage“ zur Verfügung haben, an denen sie sich für soziales Engagement freinehmen können. 

Vielfältige Perspektiven

Professorin Staudinger wünscht sich, nicht nur in der Stadt, sondern auch am Campus selbst Perspektiven und Weltbilder miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Vielfalt all dieser Perspektiven, auch etwa die positiven und negativen Erfahrungen mit der Wiedervereinigung, sollten die Stadtgesellschaft bereichern. Aber es reiche nicht, Toleranz für verschiedene Meinungen zu zeigen. Gegen rechte Worte und Taten in der Gesellschaft brauche es Mut zur Initiative. Nach ihrer Rede mischte sich die Rektorin unter die Demonstrierenden. Auch wenn sicherlich nicht allzu Neues gesagt wurde, kam ihr Einsatz sehr gut an; viele bedankten sich für ihre Ansprache, vor allem Studierende. 

Stationäre Demo geplatzt

Dass die neue Leitung der TU klar Stellung bezieht und auf der Kundgebung Präsenz und ehrliche Anteilnahme zeigt, eben den erwähnten Mut zur Initiative, ist eine wichtige Bestätigung für das studentische Engagement gegen rechts. Und es tröstete auch etwas hinweg über die Pläne für eine weitere Demonstration auf dem Campus selbst, für die sich ein Team aus engagierten Studierenden, aber auch Mitwirkenden von SLUB und TU bis zum Wochenende eingesetzt hatten. Ursprünglich geplant war ein Demozug mit Musik von Tolerave, der – mit Abstand zwischen den Teilnehmern – vom Fritz-Förster-Platz starten und schließlich zur Herz-statt-Hetze-Kundgebung auf dem Neumarkt stoßen sollte. Als sich abzeichnete, dass die Corona-Lage das nicht zulassen würde, war zunächst eine stationäre Demonstration auf dem Fritz-Förster-Platz angedacht. Dass sich dieser Plan letztlich auch nicht durchsetzen ließ, lag laut Lutz Thies aus dem Orga-Team aber nicht nur an Bedenken wegen der Infektionsgefahr: Die Versammlungsbehörde habe den PKW-Verkehr auf keinen Fall behindern wollen und auch deswegen keine Genehmigung für den Fritz-Förster-Platz erteilt. Das Team sei mehr als verärgert über die mangelnde Unterstützung. Aber man will die gute Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe auf keinen Fall verschenken und plant für diese Woche einen Ausgleich für die entfallene Kundgebung, vermutlich in Form einer gemeinsamen Videobotschaft. 

Geschichten von Freunden rütteln auf

So viele Leute und Organisationen hätten noch nie an einem Strang gezogen, sagt Lutz. Er selbst engagiert sich neben dem Informatikstudium (8. Fachsemester) seit etwa zwei Jahren in verschiedenen Organisationen, beim Stura, der Stura-Gruppe WHAT und dem studentischen Senat. Er war seit 2014 auf den großen Gegendemonstrationen, aber als besonders aufrüttelnd erlebte er die persönlichen Geschichten von Freunden, die in der Stadt rassistisch angefeindet wurden. Einer seiner Lieblingsprofessoren, erzählt Lutz, sei wegen der inakzeptablen Behandlung seiner Frau schließlich weggezogen. Und als Lutz an einem Austauschprojekt mit Tansania teilnahm, sahen er und andere Dresdner sich gezwungen, die ausländischen Teilnehmer vor den Montagsdemonstrationen und möglichen Profilings durch die Polizei zu warnen. Dass es in Dresden so weit kommen muss, will er ebenso wie all die Demonstranten bei „Herz statt Hetze“ nicht hinnehmen. Und so füllte sich die Cockerwiese rasch mit vor allem jungen Leuten, die in der Sonne der Musik von Tolerave und verschiedenen Ansprachen lauschten – zwar nicht auf dem Campus, aber dafür an dem eigentlich für Pegida vorgesehenen Ort. 

Infektionsschutz geht vor

Auf dem Neumarkt ging die Demo gegen 16 Uhr langsam zu Ende. Die Veranstalter waren bis zum Schluss sehr bedacht auf den Infektionsschutz und baten die Leute, nicht alle gleichzeitig zur Bahn aufzubrechen. Auf dem Altmarkt löste sich die Versammlung etwas zügiger auf – es sei einfach kälter im Schatten, vermutete einer der Ordner. Es seien aber auch hier weit über hundert Leute da gewesen. Vorfälle wegen der Hygienevorschriften habe es auch unter dem älteren Publikum hier auf dem Platz kaum gegeben. Und nur wenige Außenstehende hätten gepöbelt, betonte er. 

Text: Carolin Lange
Foto: Paul Senf/StuRa TUD

Bildquellen

  • Herz statt Hetze Demo – Ursula M. Staudinger: Paul Senf
Interessant? Dann teile es: