Ein eigenes Start-up für Nachhaltigkeit aufziehen und damit so richtig durchstarten? Der ehemalige Dresdner Student Peter Sänger und drei seiner Kommilitonen haben den Sprung ins kalte Wasser gewagt und Green City Solutions gegründet.
Das Unternehmen, das Moose als Luftfilter einsetzt, ist inzwischen so erfolgreich, dass Peter jetzt Teil der Kampagne „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ des Bundesforschungsministeriums ist. CAZ hat mit ihm gesprochen.
CAZ: Ihr habt Green City Solutions 2014 gegründet, als ihr zum Teil noch Studenten an der HTW Dresden wart. Wie fing das damals alles an?
Peter Sänger: Es hat tatsächlich alles in Dresden begonnen. Ich komme aus einer Gartenbaufamilie und habe selbst Gartenbau studiert. Als ich zum Studium in die Stadt kam, hatte ich deshalb ganz andere Ansprüche an Nachhaltigkeit und Ökologie. Über den Austausch mit anderen Fakultäten und Bereichen habe ich erfahren, wie andere junge Menschen sich unsere Stadt der Zukunft vorstellen. Dann bin ich in Kontakt gekommen mit den späteren Mitgründern von Green City Solutions, die aus den Bereichen IT, Architektur, und Maschinenbau kommen. Neben unserer Freundschaft hat uns Dresden als gemeinsamer Studienort verbunden.
CAZ: Und wie ging es dann weiter?
Peter Sänger: Gegen Ende des Studiums haben wir überlegt, was wir anschließend im Berufsleben machen wollen und uns gefragt, ob Unternehmen die Power haben, Zukunft so mitzugestalten, wie wir uns das vorstellen oder ob dafür eine neue Firma entstehen muss. Für uns war die Vorstellung, in einen existierenden Bereich hineinzugehen und dann dort in bestehenden Strukturen mitzuwirken, nicht so zufriedenstellend. Stattdessen war da was, das wir selbst mal als Projekt angehen wollten.
CAZ: Habt ihr eure Projektidee dann jemandem vorgestellt?
Peter Sänger: In Dresden gibt es die Gründungsschmiede und auch verschiedene Initiativen von der TU, die das Gründen unterstützen. Dort haben wir nachgefragt und uns zum ersten Mal mit Businessplänen auseinandergesetzt. Diese Phase war relativ kurz, aber sehr intensiv für uns. Wir haben unseren Businessplan geschrieben, eingereicht und guten Zuspruch bekommen. Das hat uns motiviert, dranzubleiben und bei der Sächsischen Aufbaubank nach Unterstützung zu fragen. Daraufhin bekamen wir das Gründerstipendium. Und das war der Anstoß für Green City Solutions.
CAZ: Nachdem ihr Green City Solutions erfolgreich gegründet habt, würdest du sagen, dass Dresden eine gute Stadt für Start-ups ist?
Peter Sänger: Wir hatten gute Unterstützung. Unsere CityTrees standen beispielsweise auf dem Neumarkt. Leider hat es nicht zu einem längerfristigen Projekt gereicht. Ich glaube, damals war das Thema Start-up einfach noch nicht so weit. Es gab einfach ein Loch zwischen „Wir können jetzt gründen“ und „Wir wollen das Unternehmen jetzt ordentlich aufziehen“. Ämter brauchen belastbare Erfahrungen, weshalb es für Start-ups in der Pilotphase echt schwierig ist, mit Kommunen zu arbeiten. Mittlerweile hat sich dieses Verständnis etwas gewandelt, weil wir inzwischen einen sehr großen Handlungsdruck haben. Wir wollten beispielsweise die Bergstraße in Angriff nehmen, wo Feinstaub wirklich ein Problem ist. Da ging damals aber leider kein Weg rein.
CAZ: Wie seid ihr eigentlich auf die geniale Idee gekommen, ausgerechnet Moos zur Luftverbesserung einzusetzen?
Peter Sänger: In der Einfachheit liegt manchmal die Genialität. Dass Moose Staub filtern, war keine komplett neue Erkenntnis. Da gab es schon einige Thesen. Mein Großvater war Bergmann. Ich kann mich erinnern, dass er erzählt hat, dass Moose schon zur Detektion von Schwermetallbelastung in Stollen verwendet wurden. Natürlich viel, viel früher, als dass man dabei einen Wert für die Luftqualität in Städten gesehen hätte. Die Eigenschaften der Moose waren zwar bekannt, wurden aber nie in einem kommerziellen Umfang sinnvoll genutzt. An diesem Punkt haben wir angesetzt.
CAZ: Für euch war also schon ziemlich schnell klar, dass ihr was mit Moos machen wollt?
Peter Sänger: Anfangs haben wir mit vielen unterschiedlichen Pflanzen experimentiert und festgestellt, dass die Auswahl sehr begrenzt ist, weil wir die Pflanzen sehr stark stressen. Wir haben sie Hitze, Trockenheit, Luftverschmutzung und verschiedenen anderen Stressoren ausgesetzt. Hübsche Blümchen aus dem Ziergarten haben da z.B. überhaupt keine Chance. Stattdessen hatten wir vor allem Pflanzen aus dem Steingarten- und dem Staudenbereich und aus dem Bereich Dachbegrünung eingesetzt, außerdem kleine Tannen, Fichten und Gehölze. Das hat sich aber alles als nicht praktikabel erwiesen. Mit viel Trial and Error sind wir dann zu den Moosen gekommen und haben überlegt, wie man deren Eigenschaften in den urbanen Kontext überführen kann. Uns war damals schon klar, dass Moose Überlebenskünstler sind. An diesem Punkt haben wir angesetzt und die Moose immer tiefer beleuchtet.
CAZ: Woher stammten die Moose, die ihr für eure Versuche verwendet habt?
Peter Sänger: Wir haben sie von allen Erdteilen bezogen und wollten herausfinden, ob es möglich ist, sie in so großen Mengen zu kaufen, dass man sie kommerziell nutzen kann. Dem war nicht so. Man konnte zwar kleinste Proben kaufen, die waren aber für unsere Zwecke völlig ungeeignet. Damit war irgendwann klar: Wenn wir das Unternehmen wirklich groß aufziehen wollen, müssen wir uns wohl sehr viel Moosexpertise selbst beibringen, bis hin zum Anbau.
CAZ: Kannst du kurz das eigentliche Prinzip der Luftverbesserung mithilfe von Moos erklären?
Peter Sänger: Wir mussten neue Wege gehen, um die Moose in ein technisches Set-up zu kriegen, wo sie aktiv durchlüftet werden, so sind unsere CityTrees entstanden. Sie funktionieren eigentlich wie Staubsauger, die die Luft aktiv ansaugen und durch die Moose durchströmen lassen. Dabei bleibt Feinstaub and den Moosen haften und wird so herausgefiltert. Gleichzeitig sind die Moose mit Wasser befeuchtet, das durch die Verdunstung auch in die Außenluft gelangt. Auf diese Weise entsteht ein kühlender Effekt. Also staubige trockene Luft rein und durch die Moose frisch und feucht wieder raus. Und das mit einem Organismus, der super langlebig und nachhaltig ist.
CAZ: Wie werden die Moose denn bewässert? Kommt da regelmäßig jemand vorbei und gießt die City Trees?
Peter Sänger: Das läuft alles vollautomatisch. Wir wollten bewusst vermeiden, dass sich jemand ständig darum kümmern muss. Da kommen unser Co-Gründer Liang und sein Team mit IT-Expertise ins Spiel. Die CityTrees haben eine intelligente Steuerung mit Sensoren, die herausfinden, wie viel Wasser das Moos gerade braucht, wie viel Durchlüftung möglich und nötig ist und wie gut die Performance des Mooses in Echtzeit ist. Wir arbeiten zur Versorgung mit einem Wassertank oder einer direkten Wasser-Leitung. Im besten Fall nutzen wir Regenwasser, das ist nachhaltig und sinnvoll und kann zum Beispiel durch angeschlossene Tanks Starkregen abpuffern, das gespeicherte Wasser dann über die Moose verdunstet werden.
CAZ: Green City Solutions ist immer mehr gewachsen und inzwischen in der Nähe von Berlin angesiedelt. Hast du einen Tipp für Studierende, die eine gute Idee haben und diese professionell umsetzen wollen?
Peter Sänger: Unbedingt ausprobieren! Es nicht zu versuchen, ist die schlechtere Option. Es gibt viele Bereiche, die derzeit dringend nach Innovationen suchen. Wenn das Thema gerade viel diskutiert wird und Leute interessiert, ist es, glaube ich, nicht so schwer, zu gründen und die richtigen ersten Schritte zu gehen. Bei den Gründerinitiativen der Hochschulen kann man sich nützliche Tipps abholen. Es kann auch helfen, einfach mal im ersten Schritt den Professor anzusprechen oder jemanden, der sich mit BWL auskennt, um die wichtigsten Kennzahlen zu diskutieren und einen groben Blick auf die Finanzplanung zu werfen. Auch von der IHK gibt es Gründerseminare für den Start.
CAZ: Das hört sich erst mal gar nicht so schwer an …
Peter Sänger: Man sollte sich aber auch bewusst machen, dass eigenes Gründen viel Verantwortung, viel Arbeit, viel Ausprobieren und manchmal auch viel Ungewissheit bedeutet. Dafür sollte man schon auch gemacht sein. Es ist nicht schlimm, wenn man das nicht ist. Dann gibt es auch viele andere gute Möglichkeiten, sich einzubringen und Impact zu erzeugen. Und von Gegenwind darf man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Letztendlich steht und fällt alles mit einem guten Team, deshalb gibt es auch kein Patentrezept für ein erfolgreiches Start-up. Man muss sich einfach vor Augen halten: Wenn ein neues Produkt einfach und ohne Risiko wäre, wäre es wahrscheinlich längst da.
Interview: Ute Nitzsche
Bildquellen
- GreenCitySolutions GmbH: Green City Solutions